Die Geschichte von Edition Tonger

Der 1822 zu Köln gegründete Verlag ist einer der ältesten rheinischen Fachverlage.

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Augustin Josef Tonger, der Stammvater des Hauses (1801 in Köln - 1881 in Köln), gründete seinen Verlag vornehmlich auf der niederrheinischen Chortradition und setzte sich außer für kölnische und rheinische Karnevals- und Heimatlieder früh für Unterrichtswerke ein. 

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Unter seinem Sohn Peter Josef (I) (1845 in Köln - 1917 in Bonn) erweiterte sich die Verlagsbasis beträchtlich, auch durch Aufkauf verschiedener weiterer Verlagsgeschäfte. 
Es erschienen in schneller Folge zahlreiche Unterrichtswerke, darunter die Violinschule von Hohmann-Heim, die Wohlfahrt-Klavierschule (beide später Edition Gabriel) und die Bungart-Harmoniumschule. 

Eine Besonderheit des Verlages war die Reihe „Tongers Taschen
 

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-Alben“ mit dem Werbewort „Nimmmichmitfüreinemark“. Die Sammlung wuchs innerhalb von 50 Jahren auf 62 Bände und hatte bei Ausbruch des 2. Weltkrieges eine Auflage von mehreren Millionen erreicht. Aus dieser Reihe sind die Präludien-Alben von Bungart und Sattler heute noch bei den Organisten beliebt.

Als persönliches literarisches Engagement ließ Tonger in seinem Verlag die Spruchsammlung Lebensfreudeerscheinen, die es auf acht Bände und ebenfalls eine Millionenauflage brachte. Eine andere weitverbreitete Reihe waren die Oktav-Bände Tongers Musikschatz, die für die damalige Form der Hausmusik am Klavier, bezeichnend waren. 

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Unter der fast ein Halbjahrhundert anhaltenden Leitung seines gleichnamigen Sohnes P. J. Tonger 

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(II) (1875 in Köln - 1960 in Köln) festigten sich Ruf und Reichweite des Unternehmens durch weitgestreute Pflege der Chor- Volks- und Jugendmusik vom Oratorium bis zum Karnevalslied, vom Instrumental-Schulwerk bis zu Rheinlieder-Alben. 

Der langjährige Seniorchef des Hauses war auch lange Zeit Vorsitzender des Deutschen Musikalienhändler-Verbandes, zu dessen Ehrenmitglied er 1953 ernannt wurde. Angeregt durch Fritz Volbach, Münster, entstand nach dem 1. Weltkrieg die Reihe Tongers Musikbücherei, in der neben Volbach Autoren wie Otto Neitzel, Ernst Bücken, H. Girschner vertreten waren. 
 

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Sein Sohn Peter Josef Tonger (III) (genannt Hans; 1902 in Köln - 1989 in Köln) trat schon 1922, nach einer kurzen Lehrzeit im deutschen Verlegerzentrum Leipzig, in die Firma ein. 
Er begründete zu Beginn der 30er Jahre eine ganz neue Richtung der Chormusik im Verlag. Wichtige Autoren, die in diesem Zusammenhang zu nennen sind, wurden Armin Knab, Hermann Unger, Bruno Stürmer, Walter Rein, Hermann Schroeder, Ernst-Lothar v. Knorr, Franz Biebl, Fritz Büchtger, Kurt Lissmann, Otto Siegl, Willy Sendt, Adolf Clemens, Gottfried Wolters, Bernhard Weber und Cesar Bresgen. 

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Mit den Kölner Hochschulprofessoren Paul Mies, Heinrich Lemacher und Hermann Schroeder gab er eine Werkreihe für kleines Orchester heraus, er festigte den Ruf des Verlages auf dem Gebiet der Unterrichtsmusik durch die Klavierschule Der neue Weg von Heinz Schüngeler (später Schott, Mainz) und die Schule des Geigenspiels von Wilhelm Isselmann und veröffentlichte mit Heinrich Lindlar als Herausgeber die Reihe Das Kammerlied, zeitgenössische Musik für Gesang und Instrumente. 

Diesen Aktivitäten setzte der 2. Weltkrieg ein jähes Ende. Das Verlags- und Geschäftshaus Am Hof fiel den Brandbomben zum Opfer, und für den Verlag begann, wie für so viele, die Stunde Null.

Während die Musikalienhandlung in unmittelbarer Nähe des alten Hauses unter Leitung von Hans Westendorp, dem Stiefbruder Hans Tongers, und nach dessen Tod von seinem Neffen Lutz Wentscher weitergeführt wurde, fand der Verlag 1951 nach verschiedenen behelfsmäßigen Stationen sein neues Domizil in Rodenkirchen, das damals noch eine eigene Gemeinde am südlichen Rande Kölns war und erst 1975 im Zuge der Gebietsreform nach Köln eingemeindet wurde. 

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Hans Tonger baute den Bereich der Unterrichtswerke weiter aus. So beauftragte er seinen Freund Otto von Irmer, eine Klavierschule zu schreiben, die unter dem Titel Ein Weg zum Musizieren am Klavier große Anerkennung und weite Verbreitung gefunden hat und noch findet. Weitere Schulwerke für Klavier (Fritz Isselmann), Gitarre (Helmut Mönkemeyer), Blechbläser (Alfred Stöneberg) und Violoncello (Nicolai Petrat) kamen im Laufe der Jahre hinzu. 

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In erster Linie aber, und das aus vollem Herzen, war Tonger Chorverleger. Sein Anliegen war es, den vielen tausend Gesangvereinen, die in ihrer Mehrzahl Männerchöre waren, eine neue Literatur an die Hand zu geben, die weg von Volkstümelei und Rhein- und Weinseligkeit ihre Kräfte aus dem Geiste der Jugendbewegung zog, einen originellen Volksliedsatz in den Mittelpunkt der Arbeit stellte und die Texte der Chorkompositionen bei den großen Dichtern der Vergangenheit und Gegenwart suchte. Weggefährte und erfolgreichster Protagonist war dabei sein Freund gleichen Jahrgangs, Kurt Lissmann, den er 1932 anlässlich der Uraufführungen seiner Kompositionen Feiger Gedanken nach Goethe und der Kantate Vom Menschen auf Texte von Claudius, Rilke und Klopstock kennen lernte und als Autor für den Verlag gewann. Willy Sendt löste mit seiner Reihe Chormusik nach europäischen Volksliedern eine Welle von Bearbeitungen aus, die fortan die Programme der Chorkonzerte beherrschte. Ein Höhepunkt auf diesem sehr beliebten Gebiet der Chormusik wurden die Bearbeitungen von Wilhelm Heinrichs, der mit dem Zyklus Cekolina, nach tschechischen Volksliedern, gleich zu Beginn einen seiner größten Erfolge erzielte. 

Neben dieser eher volksnahen, wenn auch anspruchsvollen Chormusik hat sich der Verlag unter Hans Tonger stets auch für höchst anspruchsvolle zeitgenössische Chormusik eingesetzt. Hier sind Namen zu nennen wie Peter Michael Braun, Hans Chemin-Petit, Johannes Driessler, Fritz Chr. Gerhard, Willy Giefer, Kurt Hessenberg, Heinrich Poos, Volker Wangenheim, Theodor Warner und Erna Woll. Immer waren es jedoch Zeitgenossen, mit denen Hans Tonger einen intensiven persönlichen Kontakt pflegte. 

Mit Heinrich Lindlar als Herausgeber und teilweise auch als Autor stürzte er sich auch in das Wagnis einer Buchreihe Kontrapunkte, Schriften zur deutschen Musik der Gegenwart, in der erstmalig Monografien über Anton Webern, Wolfgang Fortner und Karlheinz Stockhausen erschienen. 

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1965 nahm er seinen Sohn Peter Tonger (*22. März 1937) nach fundierter Ausbildung, zunächst einer Lehre im Musikalienhandel in Freiburg, gefolgt vom Studium der Schulmusik in Berlin und schließlich einem Volontariat in einem bedeutenden Wiener Musikverlag, als Gesellschafter in die neugegründete KG auf. 

 

1976 wurden die Chorverlage Carl Engels, Mühlheim/Ruhr und 1983 Gerhard Rabe, Dortmund und Fritz Spies, Gevelsberg, erworben. Dadurch kam es zu einer verstärkten erfolgreichen Zusammenarbeit mit bisher vornehmlich diesen Verlagen verpflichteten Autoren wie Willy Giesen, Quirin Rische, Walther Schneider, Helmut Bogenhardt, Hermannjosef Rübben und Arnold Kempkens. Als herausragend in diesem Zusammenhang sind die Phantastischen Abenteuer des Don Quichote von Walther Schneider anzusehen. 

1989, nach dem Tode seines Vaters, der über viele Jahre auch Präsident des Deutschen Musikverleger-Verbandes war, übernahm Peter Tonger, nunmehr in fünfter Generation, die Leitung des Verlages. 

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Wurde das Verlagsprogramm nach und nach schon durch verschiedene Instrumentalmusikreihen ausgefallener Besetzungen ergänzt, so z.B. ACCORT (Klaus Lüchtefeld), Neue Musik für Blockflötenensemble oder SAXOPHONAR (Wolfgang Hildemann/Hans de Jong), Kammermusik für oder mit Saxophon, traten nun weitere Reihen hinzu, wie FLUTES ONLY (Peter Thalheimer), alte und neue Musik für drei und mehr Flöten, STUFEN (Wolfgang Hildemann/Hanno Haag) eine Unterrichtsreihe für drei gleiche Instrumente zur Einführung in die Neue Musik, die schließlich erweitert wurden auf alle Bereiche der Kammermusik, der Orchestermusik und Oper, vorwiegend zeitgenössischer, aber auch wiederentdeckter älterer Komponisten und Komponistinnen. 

Zu den heute weit über Deutschlands Grenzen hinaus aufgeführten Autoren des Verlages zählen Elizabeth R. Austin, Jürg Baur, Günther Bialas, Violeta Dinescu, Jindřich Feld, Georg Katzer, 

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Richard Rudolf Klein, Hans Georg Pflüger, Iris Szeghy, Dimitri Terzakis, Kate Waring und Stanley Weiner. Jüngere Autoren sind Alois Bröder, Takashi Fujii, Erhan Sanri, Michael Gregor Scholl, Margarethe Sorg-Rose, Stefan Thomas und Kirsty Beilharz, ein internationales Ensemble von Autoren aus ganz Europa, USA, Japan und Australien. Auch Rechte an Werken bereits verstorbener Komponisten konnten erworben werden, wie z.B. von Edmund v. Borck, Julius Weismann, Adolf Busch und Wilhelm Kempff. Wiederentdeckte Komponistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts erscheinen in neuen Ausgaben, herausgegeben von der Cembalistin Fine Zimmermann und der Dirigentin Elke Mascha Blankenburg. 

Auf dem Gebiet der zeitgenössischen Chormusik wurden innerhalb der Reihe Studio Corale weltliche und geistliche Chormusik von Frank Michael Beyer, Peter Michael Braun, Jindřich Feld, Jürgen Golle, Tamara Ibragimowa, Heinrich Poos, Franz Georg Rössler, Rolf Rudin, Iris Szeghy, Volker Wangenheim u.a. herausgegeben. 

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In den Jahren 1995 – 2002 erschien die Keyboardschule Die Taste von Friedhelm Floer in acht Bänden, die sich bereits nach kurzer Anlaufzeit sehr erfolgreich etabliert hat. 

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Schließlich wurde auch die Buchproduktion nach langjähriger Unterbrechung wieder aktiviert. Ein Wegweiser zum künstlerischen Klavierspiel von Helmut Weinrebe, sowie interpretationsvergleichende Schriften von Udo Zilkens über Vivaldi, Bach, Beethoven, Schubert, Schumann, Debussy und Bartók finden Anerkennung, wie auch zwei große Biographien über die legendäre Sängerin Lotte Lehmann sowie den Begründer Neu-Bayreuths, Wieland Wagner, von Berndt W. Wessling, von denen die erstere mit dem Deutschen Musikeditionspreis ausgezeichnet wurde. 

In all diesen Aktivitäten zeigt sich das Bestreben eines eher kleinen Verlages, abseits vom Mainstream, wie man in der Popmusik sagen würde, Akzente zu setzen und trotz widriger Zeitumstände der Vielfalt der Musik eine Chance zu geben, die im offenbar überlebensnotwendigen Schielen nach Umsatzzahlen und Einschaltquoten, verloren zu gehen droht. Was für P.J.Tonger (III) immer höchster Anspruch war, nämlich ausschließlich Qualität anzubieten, ist auch für Peter Tonger die Maxime seines verlegerischen Handelns, damit man auch in Zukunft sagen kann:

TONGER    ...da ist Musik drin

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